Taiji Ch'an
Meditation in Bewegung und Stille - Entspannung - Heilgymnastik
Taiji Ch'an ist eine uralte chinesische Bewegungskunst mit hoher nach innen gerichteter Achtsamkeit auf den Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin und daoistischer Philosophie.
Die langsamen, sanften und ruhigen Bewegungen entspannen Körper und Geist, deren Koordination und Zusammenwirken verbessern sich. Durch das dadurch entstehende feinere Körperbewusstsein können Verspannungen sich lösen, es entsteht mehr Harmonie und Ausgeglichenheit, weil insgesamt weniger Energie durch Fehlhaltungen oder Anspannung verbraucht wird. Diese Energie steht nun dem Organismus wieder zur Krankheitsabwehr und als neu gewonnene Vitalität zur Verfügung. Das daoistische Prinzip des Wu Wei (wörtl. übers. "Nicht-Tun"), des absichtslosen Tuns beschreibt das Einswerden mit dem, was wir tun und ermöglicht über das Loslassen unseres alltäglichen Bemühens eine neue, tiefere Erfahrung unseres Bewusstseins. Der meditative Charakter der Übung verbessert die Selbstwahrnehmung und ermöglicht so nach einiger Zeit, körperliche Fehlhaltungen und deren mentale Ursachen zu korrigieren und den eigenen Bedürfnissen, dem eigenen Körper wieder besser gerecht zu werden. Mit fortschreitender Geübtheit kann man immer besser wahrzunehmen, wo und wie man sich noch unnötig anstrengt und lernt mit der Zeit, diese Erfahrung auch in den Alltag zu integrieren.
Das Einüben einer aktiv, d.h. bewusst ausgeführten Entspannung verbunden mit Prinzipien der Leichtigkeit und Gelassenheit führt zu einem Gefühl des In - Sich - Ruhens, erhöht dadurch die Stressresistenz und Stabilität im Alltag und trägt so zur Gesunderhaltung bei. Die Übungen sind in jedem Alter leicht zu erlernen.
Die Verfeinerung des Bewusstseins mittels Energieübungen in Stille und Bewegung zielt letztlich auf die Abstimmung zwischen Innen und Außen und auf die Einheit von Natur und Mensch, auf das Überwinden aller Gegensätze. Diese "Bewusstseinsverfeinerung" macht die Einheit von Körper, Energie und Geist erfahrbar. Der Begriff "Taiji" ("das Höchste, Letzte", der "Urgrund des Seins") bedeutet ein dynamisches Gleichgewicht und harmonisches Zusammenspiel sich ergänzender gegensätzlicher Kräfte und beruht auf der Zusammengehörigkeit von Yin und Yang. Das Prinzip des stetigen Wandels aller Dinge, des immerwährenden Fließens von einem Zustand in den nächsten ist der zentrale Gedanke des Taiji Ch'an und drückt sich auch in der Bewegungsfolge aus. "Ch'an" bedeutet Versenkung oder Meditation und ist die chinesische Entsprechung des japanischen Wortes Zen.
Das Taiji-Symbol: Einheit von Yin und Yang
"Hauptsächlich geht es darum, die physischen und mentalen Blockaden zu beseitigen, die durch Konditionierungen entstehen, und dadurch vom Vergänglichen zum Ursprünglichen zurückzukehren, den Weg in die reale Welt wiederzufinden und die uranfängliche Integrität wiederherzustellen." (aus: Shi Ming, Wie Weiches über Hartes siegt)
Allgemeine gesundheitsfördernde und stressabbauende Aspekte
Seit den 50er Jahren werden in China und im Westen die Wirkungen von Taiji Ch'an und Qi Gong unter den Gesichtspunkten und mit den Methoden der westlichen Wissenschaft und Medizin untersucht. Danach sind unter Anderen folgende positive Auswirkungen festzustellen:
- Lösen von Verspannungen (z.B. durch Entlastung der Rücken- und Nackenmuskulatur.
- größere Beweglichkeit, Stärkung der Gelenke, besseres Gleichgewichtsgefühl, erhöhte Bewegungssensibilität: "Körperintelligenz".
- Erkennen u. Verändern von ungesunden Bewegungsmustern: Die durch verringerten Kraftaufwand eingesparte Energie steht dem Organismus wieder zur Krankheitsabwehr zur Verfügung.
- Absinken der Atemfrequenz, tiefere Atmung und verbesserte Ausnutzung des Lungenvolumens, bessere Sauerstoffversorgung des Blutes.
- Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Funktionen, bessere Durchblutung des Körpers und der Organe, Wärmegefühl in Händen und Füßen.
- Verbesserung der Stoffwechselfunktionen
- Verbesserte psychophysische Koordination.
Alle diese Faktoren beeinflussen sich gegenseitig und stehen darüber hinaus in intensiver Wechselwirkung mit der geistigen Ruhe und Entspannung, die sich bei der Übung entwickeln.
Eintreten in die Stille
Taiji Ch'an gehört im Sinn zum System des Qi Gong (wörtl. "Beschäftigung mit Energie") zu den sogenannten "Inneren Kampfkünsten", bei denen es sich nicht um das Beherrschen eines äußeren Gegners dreht, sondern um das Erlangen innerer Ruhe, von innerer Stärke und Stabilität. Im Tao Te King von Laotse heißt es:
Andere zu kennen verlangt Wahrnehmung.
Sich selbst kennen verlangt Einsicht und Weisheit.
Andere bezwingen verlangt Stärke.
Sich selbst bezwingen verlangt Durchdringung.
Sich begnügen können ist Reichtum.
Wer nicht aufgibt, ist willensstark.
Der Vers 43 im selben Text drückt wunderbar die Grundprinzipien des Taiji Ch'an aus:
Das Härteste in der Welt
Wird vom Weichsten und Geschmeidigsten bezwungen
Das lückenlos Undurchdringliche
Wird vom Gestaltlosen durchdrungen.
Daher weiß man:
Nicht gegen die Natur handeln
Und alle Dinge gedeihen.
Belehren ohne Worte
Im Nicht-Tun verweilen
Wenigen gelingt es.
"Belehren ohne Worte": Das Nicht-Tun (Wu Wei) kann nicht verbal vermittelt werden, es ist nur praktisch in der eigenen Übung zu erfahren. An dieser Stelle kann man gut erkennen, daß Taiji Ch'an weit über die rein körperlichen Wirkungen hinausgeht und einen langjährigen spirituellen Weg zu einem ganzheitlichen Bewusstsein beinhalten kann, der intellektuell nicht vollständig zu erfassen ist und deswegen auch sprachlich hier letztlich nicht vollständig dargestellt werden kann.